Weise Worte.
Gedichte, die zu Herzen gehen.

Die passenden Worte zur richtigen Zeit können viel bewirken. Zum Beispiel Trost spenden. Wir haben einige der inspirierendsten Gedichte rund ums Thema Abschied und Trauer für Sie zusammengestellt. Weise Worte, die zu Herzen gehen. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und lassen Sie die Zeilen auf sich wirken. Es lohnt sich.

Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines, dies eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines. Doch dieses Blatt allein, war Teil von unserem Leben, drum wird dies Blatt allein, uns immer wieder fehlen.

Rainer Maria Rilke

Welkes Blatt

Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Laß es still geschehen.
Laß vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.

Hermann Hesse

Einschlafen dürfen (afrikanisches Gedicht)

Einschlafen dürfen, wenn man müde ist, und eine Last fallen lassen, die man lange getragen hat. Das ist eine köstliche, wunderbare Sache.

Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Antoine de Saint-Exupéry

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch garnicht versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie garnicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung.

Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.

Dietrich Bonhoeffer

Die Trauer ist ein Gang hinüber und herüber. Hinüber dorthin, wohin der andere ging. Und zurück, dorthin, wo man mit ihm war alle die Jahre des gemeinsamen Lebens. Denn da ist etwas abgerissen, so ist dieses Hin- und Hergehen wichtig. Die Erinnerung fügt es wieder zusammen, immer wieder. Da ist etwas verloren gegangen, die Erinnerung sucht es auf und findet es. Da ist etwas von uns selbst weggegangen. Man braucht es. Man geht ihm nach. Man wird es wiedergewinnen, und es wird in der Verbundenheit mit dem Dahingegangenen ein fester Bestandteil des eigenen Lebens sein und bleiben.

Jörg Zink

Steht nicht an meinem Grab und weint, ich bin nicht hier, ich schlafe nicht. Ich bin die tausend Winde, die über die Erde wehn. Ich bin das helle Glitzern des Schnees, ich bin das sonnengereifte Korn und der sanfte Regen des Herbstes. Wenn ihr in der Morgenbrise erwacht, bin ich die aufwärts strebende Macht der am Himmel kreisenden Vögel in der Sonne. Des Nachts bin ich das Funkeln der Sterne. Steht nicht an meinem Grab und weint, ich bin nicht hier. Ich bin mit euch vereint.

Jörg Zink

Auf der anderen Seite des Weges

Der Tod ist nichts, ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen. Ich bin ich, ihr seid ihr. das, was ich für euch war, bin ich immer noch. Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt. gebraucht nicht eine andere Redensweise, seid nicht feierlich oder traurig. Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben. Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich. Damit mein Name im Hause ausgesprochen wird, so wie es immer war, Bewegende Texte Seite 9 / 45 ohne irgendeine besondere Betonung, ohne die Spur eines Schattens. Das Leben bedeutet das, was es immer war, der Faden ist nicht durchschnitten. Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein, nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin? Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges.

Charles Pegúy / Henry Scott Holland

Zum Abschied eine Rose

Ich möchte dir zum Abschied eine Blume schenken! eine dieser winzigen roten Blüten im Sand über die wir uns beugten ich stehe vor dir und weiss nicht wie Adieu zu sagen Ich möchte dir die grauen Berge schenken den Sonnenstrahl der mit uns lachte den Wind der sich in meinen Haaren fing ich stehe hilflos vor der Traurigkeit und weiss nicht wie Adieu zu sagen Wenn wir uns einmal wiedersehen ist Berg und Wind und Blume nur noch Erinnerung für dich vielleicht so lange schon vergessen Den Sonnenstrahl jedoch hab ich behalten und schenk ihn dir wenn ich dich wiederseh.

Daniela-Maria Brandt

Der Tod kann auch freundlich kommen -
zu Menschen, die alt sind,
deren Hand nicht mehr festhalten will,
deren Augen müde werden,
deren Stimme nur sagt:
Es ist genug. Das Leben war schön.

Die starken, tätigen Hände sind dir gebunden.
Ohnmächtig, einsam siehst du das Ende deiner Tat.

Doch atmest du auf und legst das Rechte still und getrost
in stärkere Hand und gibst dich zufrieden.

Nur einen Augenblick berührtest du selig die Freiheit,
dann übergabst du sie Gott, damit er sie herrlich vollende.

Dietrich Bonhoeffer

O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruh´n mich von Lust und Not,
Bis dass das ew´ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.

Eichendorff

Das Abendrot des sommerlichen
Sonnenuntergangs im Nordwesten
Verdunkelt sich langsam, und der
Engel schläft und kehrt im Traum
Zurück in die wunderbare Welt,
wo es immer Licht ist und wo jeder
glücklich ist, wo einen Feuer nicht
verbrennt und Eis nicht frieren lässt;
wo Bäche von Sternenlicht durch
die amarantroten Wiesen fließen,
hinaus in die Meere des Friedens.
Er träumt, und es scheint ihm, als
Erstrahlten seine Flügel noch einmal
Von tausend Farben und blitzten
In der kristallklaren Luft jener Welt,
aus der er gekommen war.

H.G. Wells

Der Engel in dir
Freut sich über dein
Licht
Weint über deine Finsternis

Aus seinen Flügeln rauschen
Liebesworte
Gedichte Liebkosungen

Er bewacht
deinen Weg

Lenk deinen Schritt
engelwärts

Rose Ausländer

Er wusste nur vom Tod, was alle wissen:
Dass er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
Nein, leis aus seinen Augen ausgelöst,

Hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
Und als er fühlte, dass sie drüben nun
Wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten
Und ihre Weise wohlzutun:

Da wurden ihm die Toten so bekannt,
Als wäre er durch sie mit einem jeden
Ganz nah verwandt; er ließ die andern reden

Und glaubte nicht und nannte jenes Land
Das gutgelegene, das immersüße -.
Und tastete es ab für ihre Füße.

Rainer Maria Rilke

Losgelöst von allen Plagen;
Losgelöst von allem Sagen;

Losgelöst von jedermann;
Losgelöst vom Fragen was man kann.

Losgelöst von jedem Zwang;
Losgelöst von jedem Drang.

Losgelöst von aller Not;
ist die Freiheit: ist der Tod!

Karl-Eugen Panitz

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut.

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt,
Sind es zwey die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt.

Solche Frage zu erwiedern
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Daß ich Eins und doppelt bin.

Johann Wolfgang von Goethe

Es ist so schnell vergangen
Das Jahr, das eben erst begann.
Kaum hat es angefangen
Mit Blühen und mit Prangen
Schon hebt das Herbsten an.

Gedachte man noch eben:
welch langer Zeitraum liegt vor mir!
was werde ich erleben?
Wie wird sich alles geben?
Da zeigt sich schon das Ende hier.

Die Frucht wird eingefahren,
Der Bäume Blätter färben sich,
Die Vögel schon in Scharen
Zieh'n fort und wir erfahren:
Mensch sucht den Menschen nachbarlich.

Möcht stützen sich, - verstecken,
Denn langsamer wird jeder Schritt!
Da- dürfen wir entdecken:
Es knospet in den Hecken,
Ein Neues kommt und reißt uns mit!

Bleibt uns doch nichts erhalten
Im steten Wandern durch die Zeit!
Was jung ist muss veralten,
was klein ist, groß entfalten,
Und neues Leben rings gedeiht.

Der Herbst in seiner Fülle
Bereitet langsam uns drauf vor.
Das ist des Schöpfers Wille:
Erst reift's in aller Stille,
Dann drängt's ans Licht mit Macht empor.

So sind des Lebens Weisen!
Und niemand darum fürchte sich,
Laßt danken uns und preisen.
Wir alle sind auf Reisen,
doch eingebettet ewiglich.

C.L. Nottebohm

Ich habe einen Garten
In dem blühen Rosen

Ich habe einen Garten
Ich bepflanze ihn mit Sehnsucht
Dort gibt es keine Begegnung

Ich habe einen Garten
Ich säe mit Schmerzen
und warte auf Betäubung

Ich habe einen Garten
Einen Garten mit Kreuz

Ich habe einen Garten
Einen Garten den ich niemals wollte

Ich habe einen Garten
Mit einer Holzkiste tief unter der Erde

Ich habe einen Garten
Einen Garten unter vielen

Dort stehen Menschen
Und fallen Tränen

K. Rothermel

Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tod derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr,
und die es trugen, mögen mir vergeben-
bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der Andern muss man leben.

Mascha Kaléko

Es war als hätt' der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun Träumen müsst'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Joseph v. Eichendorff

Der Vorhang fällt, das Stück ist aus,
Und Herrn und Damen gehen nach Haus.
Ob Ihnen auch das Stück gefallen?
Ich glaub ich hörte Beifall schallen.
Ein hochverehrtes Publikum
Beklatschte dankbar seinen Dichter.
Jetzt aber ist das Haus so stumm,
Und sind verschwunden Lust und Lichter.
Doch horcht! Ein schollernd schnöder Klang
ertönt unfern der öden Bühne; -
Vielleicht dass eine Saite sprang
an einer alten Violine.
Verdrießlich rascheln im Parterre
etwelche Ratten hin und her,
und alles riecht nach ranzgem Öle.
Die letzte Lampe ächzt und zischt
verzweiflungsvoll und sie erlischt.
Das arme Licht war meine Seele.

Heinrich Heine

Die menschenblasse Rose legte ich
Auf deine kalten, überkreuzten Hände,
Und strich dein Haar zurück und pflegte dich,
Ob ich dein jubelnd Leben wiederfände.
Im Zimmer, irregeflogen, regte sich
Ein Schmetterling, die alte Grablegende.
Dein Sarg schloß zu, der Kummer fegte mich
In fernes Land aus trostlosem Gelände.

Detlev von Liliencron

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andere, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse

Alles was man sehen kann
ist vergangen irgendwann.

Städte, Wiesen, Menschen gehen
doch man wird sie wieder sehen.

Der Tod ist auch ein Neubeginn
sonst hätt´ das Leben keinen Sinn.

Vergänglichkeit ist nicht das Ende,
ein Leben füllt so manche Bände.

Und ist es manchmal noch so klein,
so wird es doch für ewig sein.

Janina Hilbig

Zum Engel der letzten Stunde,
den wir so hart den Tod nennen,
wird uns der weichste, gütigste Engel zugeschickt,
damit er gelinde und sanft das niedersinkende Herz
des Menschen vom Leben abpflücke
und es in warmen Händen und ungedrückt aus der kalten Brust
in das hohe, wärmende Eden trage.
Sein Bruder ist der Engel der ersten Stunde,
der den Menschen zweimal küsset,
das erste Mal, damit er dieses Leben anfange,
das zweite Mal, damit er droben ohne Wunden aufwache
und in das Andere lächelnd komme,
wie in dieses Leben weinend.

Jean Paul

Plötzlich hallt mein
Schritt nicht mehr,
sondern rauscht leise,
leise,
wie die tränenvolle
Weise,
die ich sing,
vor Sehnsucht schwer.
Unter meinen müden
Beinen,
die ich hebe wie im
Traum,
liegen tot und voll von
Weinen
Blätter von dem großen
Baum

Selma Meerbaum-Eisinger

„Wenn wir alle eins sind,
so sind unsere Seelen alle verbunden.
Wenn Du mich nicht mehr siehst,
so sehe mich im Anderen - Gleichen- !

Wenn Du von mir träumst,
warum muß ich dann sichtbar sein?

Nehme meinen Bruder,
meine Schwester an die Hand,
und gehe – wohin DICH DEIN Weg führt,
ich werde immer bei Dir sein!“

Unbekannt

Ich zieh mich in mein Inneres zurück,
Der Schleier fällt,
da hab ich dich und mein vergangnes Glück,
Du meine Welt!

Adelbert v. Chamisso

Ich habe Angst vor dem Tod
Beim Einschlafen denke ich manchmal:
Was wird mit mir sein, wenn ich nicht mehr aufwache?
Ich denke mir oft,
dass ich vor der Geburt von meiner Mutter umgeben war,
in ihrem Leib, ohne sie zu kennen.
Dann brachte sie mich zur Welt,
und ich kenne sie nun und lebe mit ihr.
So, glaube ich, sind wir als Lebende von Gott umgeben,
ohne ihn zu erkennen. Wenn wir sterben,
werden wir ihn erfahren so wie ein Kind seine Mutter,
und mit ihm sein.

Warum sollte ich den Tod fürchten?

Carl Zuckmayer

Wir sind's gewiss in vielen Dingen,
im Tode sind wir's nimmermehr,
die sind's, die wir zu Grabe bringen,
und eben diese sind's nicht mehr.

Denn, weil wir leben, sind wir's eben
von Geist und Angesicht;
und weil wir Leben sind wir's eben
zur Zeit noch nicht.

F.E.D. Schleiermacher

"Mancherlei hast du versäumet:
Statt zu handeln, hast geträumet,
statt zu danken, hast geschwiegen,
solltest wandern, bliebest liegen."

Nein, ich habe nichts versäumet!
Wisst ihr denn was ich geträumet?
Nun will ich zum Danke fliegen,
Nur mein Bündel bleibe liegen.

J.W. v. Goethe

Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus,
flog durch die Lande, als flöge sie nach Haus.

Joseph von Eichendorff

Manchmal sind mir Engel begegnet,
aber immer nur dann, wenn ich
nicht wirklich wach war, in dem
schwankenden Niemandsland,
das wir durchstreifen, ehe wir hinüber
wechseln in die Urwälder
des Schlafes oder in einen Traum.

Keto von Waberer

Manchmal überfliegen einzelne Engel mein Grundstück,
Hin zu dem oder dem tröstungsbedürftigen Volk.
Gestern war einer, die Sonne schimmernd in Flügeln und Haaren.
Sie durchschien auch sein Hemd. Deutlich erhellte dabei,
dass er sanft gebildet und mädchenhaften Geschlechts war.
Lange blickte ich ihm nach.
Dann auf dem Pflaster im Hof
Lag was Weißes. Ihm war eine Feder heruntergefallen.
Und ich hob, all dies dir zu berichten, sie auf.

Peter Hacks

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein, die Engel.
Oft sind sie alt und hässlich und klein, die Engel.

Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand, die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand, der Engel.
Oder er wohnt neben dir, Wand an wand, der Engel.

Dem Hungernden hat er das Brot gebracht, der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht, der Engel.
Er hört, wenn du rufst in der Nacht, der Engel.

Er steht im Weg und sagt: Nein, der Engel.
Groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein, der Engel.
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.

Rudolf Otto Wiemer

Als dann der Frühling im Garten stand,
Das Herz, ein seltsam Sehnen empfand,
Und die Blumen und Kräuter und jeder Baum
wachten auf aus dem Wintertraum,
Schneeglöckchen und Veilchen hat über Nacht,
der warme Regen ans Licht gebracht,
Aus Blüten und dunkler Erde ein Duft
durchzog wie ein sanftes Rufen die Luft.

Shelley, Percy Bysshe

Wenn es so weit sein wird
mit mir
brauche ich den Engel
in dir

bleibe still neben mir
in dem Raum
jag den Spuk der mich schreckt
aus dem Traum

sing ein Lied vor dich hin
das ich mag
und erzähle was war
manchen Tag

zünd ein Licht an das
Ängste verscheucht
mach die trockenen Lippen
mir feucht

wisch mir Tränen und Schweiß
vom Gesicht
der Geruch des Verfalls
schreck dich nicht

halt ihn fest meinen Leib
der sich bäumt
halte fest was der Geist
sich erträumt

spür das Klopfen das schwer
in mir dröhnt
nimm den Lebenshauch wahr
der verstöhnt

wenn es soweit sein wird
mit mir
brauche ich den Engel
in dir

Friedrich Karl Barth/Peter Horst

Die Erinnerung ist wie ein Fenster,
durch das ich dich sehen kann,
sooft ich will.

Unbekannt

Einschlafen dürfen, wenn man müde ist,
und eine Last fallen lassen dürfen,
die man sehr lange getragen hat,
das ist eine köstliche,
eine wunderbare Sache.

Unbekannt

Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in stille Freude.
Man trägt das vergangene schöne nicht wie ein Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.

Unbekannt

Weiß sah ich einen Engel vor mir stehn.
Sein Flug, so blendend, hatte Sturmeswehn
Und fernen Meereslärm zur Ruh gebracht.
"Was willst du, Engel, tun in dieser Nacht?"
Rief ich. Und er: "Ich will die Seele dein."

Mir schien, was bang ich sah, ein Weib zu sein;
Und wehrend streckt' ich meine Arme hin
Und schrie: "Was bleibt mir? Denn du willst ja fliehn."
Doch Schweigen nur. Der Himmel, schattentief,
Erlosch…"Nimmst meine Seele du", ich rief,
"Sag, welchem Orte trägst du sie denn zu?"

Noch immer Schweigen. "Himmelsbote du,
Bist du der Tod, sprich, bist du Leben gar?"
Da, reich von Nacht mein Herz auf einmal war.

Und sich umdunkelnd, schöner doch als Licht,
"Ich bin die Liebe!" jetzt der Engel spricht.
Im Dunkeln sah ich seiner Augen Glanz
Und durch sein Schwingenpaar der Sterne Glanz.

Victor Hugo

Es war die letzte Nacht und nah das Ende
Wir küssten dir die zarten weißen Hände;
Du sprachst, lebt wohl, in deiner stillen Weise,
Und: Oh, die schönen Blumen! Riefst du leise.

Dann war's vorbei. Die großen Augensterne,
Weit, unbeweglich starrten in die Ferne,
Indes um deine Lippen, halbgeschlossen,
ein kindlichernstes Lächeln ausgegossen.
So lagst du da, als hättest du entzückt
Und staunend eine neue Welt erblickt.

Wilhelm Busch

Christrose

Immer wieder Licht sein
in der Dunkelheit
immer wieder blühen
wenn alles verwelkt ist
immer wieder hoffen
wenn vieles endet

immer wieder
leben
wie sie

Cornelia Elke Schray